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Radikalenerlass 3.0?

Für angehende Beamte in Brandenburg soll mit einem Check geprüft werden, ob sie Verfassungsgegner sind.

In seiner gestrigen Sitzung hat der Landtag Brandenburg mit den Stimmen von Koalition und Freien Wählern das „Gesetz zur Verbesserung des Schutzes des Beamtentums vor Verfassungsfeinden“ beschlossen.


Neuer Check soll August oder September greifen

Die Regelanfrage beim Verfassungsschutz soll ab August oder September gelten - je nachdem, wann die Regelung im Amtsblatt veröffentlicht wird. Das Innenministerium wies darauf hin, dass sie nur für Bewerber gelte, die bereits für eine Einstellung ausgewählt wurden und die Verfassungstreue das letzte zu prüfende Kriterium vor der Einstellung sei. Der Verfassungsschutz verwende zudem Erkenntnisse ohne Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel.


Verfassungstreuecheck: Stübgen begrüßt Landtagsbeschluss

        

Stübgen: „Mit neuem Gesetz schützen wir unser Land besser vor Gegnern unserer Demokratie“

                  

Potsdam – Innenminister Michael Stübgen hat die Verabschiedung des sogenannten Verfassungstreuechecks durch den brandenburgischen Landtag begrüßt. Das Parlament hatte den Gesetzentwurf mit den Stimmen der Regierungsfraktionen heute verabschiedet. Mit dem Gesetz wird das Berufsbeamtentum in Brandenburg besser vor Verfassungsgegnern geschützt.


Stübgen: „Mit dem heute beschlossenen Gesetz schützen wir unser Land besser vor Gegnern unserer Demokratie. In Zukunft wird es Verfassungsfeinden wesentlich schwerer fallen, unsere Kinder als Lehrerin oder Lehrer zu unterrichten, als Polizist zu arbeiten oder als Richterin oder Staatsanwalt über Schuld und Unschuld zu entscheiden. Dabei werden die Anforderungen für den Beruf des Beamten keineswegs verschärft, denn bereits jetzt sehen die einschlägigen Gesetze vor, dass Beamtenbewerber die Gewähr für die Verfassungstreue erfüllen müssen. Neu ist nur, dass jetzt die einstellenden Behörden in die Lage versetzt werden, durch die Regelanfrage beim Verfassungsschutz diese Voraussetzung effektiv zu überprüfen.“

Durch eine Änderung des Landesbeamtengesetzes werden die Einstellungsbehörden ermächtigt und verpflichtet, sich bei der Verfassungsschutzbehörde mittels einer sogenannten Regelanfrage zu erkundigen, ob Erkenntnisse vorliegen, die an der Gewähr für das Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung zweifeln lassen.

Die Anfrage erfolgt nur für die Bewerber, die für eine Einstellung bereits ausgewählt wurden. Die Prüfung der Gewährleistung der Verfassungstreue ist also das letzte zu prüfende Kriterium vor der Einstellung bzw. Ernennung. Die Anfrage wird nicht vor der Anwärterausbildung durchgeführt, sondern erst, wenn die Verbeamtung auf Probe oder in Ausnahmefällen unmittelbar eine Berufung ins Lebenszeitverhältnis vorgesehen ist. Dabei übermittelt die Verfassungsschutzbehörde nur solche Erkenntnisse, die ohne Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel erhoben wurden. Über die Relevanz für das Einstellungsverfahren entscheidet die Einstellungsbehörde.

Für die Bestandsbeamten wird im Rahmen von Disziplinarverfahren eine Anfrage bei der Verfassungsschutzbehörde dann durchgeführt, wenn Handlungen begangen wurden, die den Verdacht einer Verletzung der Verfassungstreuepflicht rechtfertigen. Dazu wurden die im Landesdisziplinargesetz enthaltenen Verfahrensregelungen zur Durchführung des behördlichen Disziplinarverfahrens ergänzt.

Sämtliche Disziplinarmaßnahmen werden nun durch die zuständigen Behörden mittels Disziplinarverfügung ausgesprochen. Die Disziplinarklage im Landesdisziplinargesetz ist abgeschafft, mit Ausnahme der Richter und Staatsanwälte zur Sicherung der verfassungsrechtlich geschützten richterlichen Unabhängigkeit. Auf diese Weise wird die Durchführung von Disziplinarverfahren wesentlich vereinfacht. Gleichzeitig stärkt das Gesetz die Verantwortung und die Personalhoheit der Dienstherren. Diese können nun schneller auf schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen reagieren und selbst über die erforderlichen und angemessenen Konsequenzen entscheiden. Die Betroffenen können gegen die Entscheidung Widerspruch einlegen und klagen. Die Neuregelungen sollen 2027 umfassend evaluiert werden.

                    


Kritik

gibt es an der neuen Disziplinarverfügung. Durch Aufnahme in das Disziplinarrecht, wird Vorgestzten die Möglichkeit/Macht an die Hand gegeben, unliebsame Mitarbeitende loszuwerden.


Die Gewerkschaft der Polizei Brandenburg warnte davor, dass die Unabhängigkeit der Beamten untergraben werde. 

Die schärferen Regelungen des neuen Landesdisziplinargesetzes griffen nicht nur in Fällen von Extremismus, sondern auch für alle anderen möglichen Dienstvergehen, kritisierte die GdP. Dienstvorgesetzte könnten selbst in das besondere Dienst- und Treueverhältnis eingreifen und Beamte aus dem Dienst entfernen oder sie zurückstufen.

Diese Neuregelung gilt laut Innenministerium nicht für Richter und Staatsanwälte aufgrund deren besonderer Stellung.


Der Landtag forderte das Ministerium angesichts von Bedenken von Opposition und Gewerkschaften mehrheitlich auf, mit einem Rundschreiben vor allem die Unschuldsvermutung zu berücksichtigen und die Einführung eines Rehabilitierungsprogramms zu prüfen.


Eine "Einmaligkeit in der Bundesrepublik", wie Innenminister Stübgen (CDU) betont?

Weiß Gott nicht. Es ist vielmehr die dritte Neuauflage eines sog "Radikalenerlasses".


Radikalenerlass 1.0

Bereits 1950 hatte die damalige Bundesregierung unter Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) in einem Erlass verfügt, Gegnerinnen und Gegner der "freiheitlich-demokratischen Grundordnung" aus dem Staatsdienst zu entlassen. Der sogenannte Adenauererlass  richtete sich vor allem gegen linke und kommunistische Organisationen. 1956 verbot das Bundesverfassungsgericht die KPD .


Radikalenerlass 2.0

Die sozial-liberale Koaltion unter Willy Brandt, wollten mit ihrem Beschluss vom 28. Januar 1972 Bund und Länder den Eintritt von politischen Extremisten in den öffentlichen Dienst verhindern.

Sämtliche Bewerberinnen und Bewerber wurden fortan durch eine individuelle Regelanfrage beim Verfassungsschutz dahingehend überprüft, ob ihre politischen Aktivitäten auf eine verfassungsfeindliche Einstellung schließen ließen. Obgleich der ursprüngliche Beschluss auf links- und rechtsradikale „Verfassungsfeinde“ gleichermaßen zielte, waren vor allem Mitglieder der DKP und anderer linker Organisationen von den Folgen der Maßnahme betroffen, die für viele einem Berufsverbot gleichkam.

Willy Brandt bezeichnete den „Radikalenerlass“ rückblickend als Fehler, wies aber auch auf einen bis heute selten thematisierten Hintergrund der Entscheidung hin: Ohne die Neue Ostpolitik und die innenpolitische „Schlacht, die um sie geführt wurde“, sei der „Radikalenerlass“ nicht zu verstehen, so Brandt Jahre später.

Im Mai 1975 bestätigte das Bundesverfassungsgericht das Recht der Behörden, Bewerberinnen und Bewerber abzulehnen, wenn sie einer von den Sicherheitsbehörden als verfassungsfeindlich eingestuften Partei angehörten, selbst wenn die Partei nicht verboten war.

Was vielen einem Berufsverbot gleich kam, wurde 1975 durch das Bundesverfassungsgericht abgemildert: natürlich darf niemandem aus politischen Gründen das Erlernen eines Berufes verweigert werden. Blieb die Frage: wurden diese dann im Nachgang auch eingestellt? Und: aus der Regelanfrage beim Verassungsschutz wurde eine begründete Einzelfallanfrage.

Bayern setzte 1991 als letztes Bundesland den Radikalenerlas ab.


Radikalenerlass 3.0

Und wie stellt sich das Für und Wider einer solchen Regelüberprüfung heute dar – vor allem im Lichte der Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz?


Standpunkt

Anlass dieses Erlasses sind die Bestrebungen und das Vorgehen der national-völkischen AfD Ämter und Behörden zu unterlaufen. Wir sollten aufhören, Verfassungsfeindlichkeit immer mit Namen und/oder Richtungen von Parteien zu benennen. "gesichert linksextrem" oder "gesichert rechtsextrem? Diese Begrifflichkeit polarisiert. Am Ende ist es doch wurscht ob links oder rechts, oben oder unten.

Die richtige Formulierung heisst: "gesichert verfassungsfeindlich"

Die Rhetorik der Neuen Rechten hat doch längst die notwendigen Narrative unters Volk gebracht. Sie formuliert: "heute ist doch jeder rechtsextrem, der anders denkt. "Andersdenkende sind also rechtsextrem bzw rechts? Fallen wir also nicht auf diese Narrative herein. Wer der Neuen Rechten und den Völkisch-Nationalen Kräften hingegen klar betont: du und/oder deine Partei ist vom Verfassungsschutz als "gesichert verfassungsfeindlich" eingestuft, wird die verfassungsfeindliche und damit bestätigende Antwort erhalten: "den Verfassungsschutz wollen wir ohnehin abwickeln"


Quellen Landtag MIK LTO BpB

Bild dpa



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